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Das Leben in einen Koffer packen

Autorenbild: Rahel ErniRahel Erni

Nun bin ich also endlich hier. In meinem neuen, alten Zuhause in Dar es Salaam. Die vergangenen Monate waren erlebnisreich, emotional, intensiv und vor allem unglaublich schnell verstrichen.

Vor einem Jahr genau in dieser Wohnung fiel der Entscheid spätestens im März 2020 nach Tanzania zu ziehen. Was seither alles passiert ist, versuche ich für euch in diesem Beitrag zusammen zu fassen.

 

Vor einem Jahr flog ich also zurück in die Schweiz und begann mein Leben Schritt für Schritt so zu organisieren, dass es in 2 Koffern Platz hatte.

Ich kündigte meine beiden Jobs als Soziokulturelle Animatorin und begann mir mein eigenes Reiseunternehmen "Raha Safari" aufzubauen. Dieses neue Projekt war und ist kein leichtes Unterfangen. Es fordert viel Fleiss, Innovation und Geduld, aber es machte mir von Anfang an unglaublich viel Spass und ich bin sehr motiviert noch mehr dafür zu investieren. Leider konnte ich neben der Arbeit und all meinen anderen Verpflichtungen nicht mehr Zeit dafür aufwenden und der ganze Prozess dauerte viel länger, als mir dies lieb war. Dies wiederum zeigte mir, was mir in den letzten Jahren immer mehr fehlte: Zeit, um mir eigene Ziele zu stecken und mir die eigenen Wünsche zu erfüllen. Zeit, um mich für das einzusetzen, was mir wichtig ist. Zeit, um das zu leben, was mich glücklich machte.


Somit kam ganz oben auf meine Packliste:

Zeit für meine eigenen Bedürfnisse

 

Mir war von Anfang an klar, dass all meine Freunde und Familie keinen Platz in den beiden Koffern finden werden. Und obwohl ich den Luxus habe, dass ich aus einem Land komme, in welches ich ziemlich sicher zu jeder Zeit zurückkehren kann, wollte ich die letzten Monate mit meinen Liebsten nochmals so nutzen, als wären es meine letzte Möglichkeit. Ich nahm mir bewusst mehr Zeit für die Menschen, die mir besonders am Herzen liegen. Wir unternahmen Dinge, mit denen wir unter anderen Umständen vermutlich nur als Witz liebäugelten und hatten dann doch den allergrössten Spass. So kam es, dass wir am Frauenlauf mitliefen, zur Britanniahütte hoch wanderten, fast alle Essensstände am Blueballs testeten, das Finale der Unihockey-WM der Frauen live miterlebten, die besten Bars und Restaurants in Luzern ausfindig machten, in zahlreichen Adventurerooms neue Rekorde aufstellten (oder fast) und uns an der Luzerner Fasnacht die Tage und Nächte um die Ohren schlugen. Dazu kamen wertvolle Stunden, die ich nochmals mit meinem süssen Neffen, meinen Geschwistern und Eltern geniessen durfte.

Das Jahr war gespickt von wunderbaren Erlebnissen, in denen ich über mich hinauswachsen oder einfach die Gesellschaft geniessen konnte. Und es war erfüllt mit tollen Begegnungen: Ich lernte bekannte Menschen plötzlich noch besser kennen und traf neue Leute, die mich faszinierten und die von Anfang an eine starke Vertrautheit ausstrahlten.


Damit war auch der zweite Punkt auf meiner Packliste abgehackt:

Schöne Erinnerungen an prägende Momente und inspirierende Menschen.

 

Aber all diese wunderbaren Erlebnisse und die Freundschaften, die sich dadurch noch mehr gefestigt haben, machten mir den Abschied plötzlich schwer. Die Spontaneität, die Gesellschaft und die Freiheit, die ich all die Jahre in der Schweiz immer vermisst habe, hatte ich nun plötzlich im Übermass. Wäre das Leben in der Schweiz immer so intensiv, bunt und erlebnisreich, wie in den letzten Monaten, wäre mir vermutlich Vieles viel leichter gefallen. Es wurde mir auch bewusst, dass man sich dies halt stark erarbeiten muss, damit man dem Druck der Leistungsgesellschaft standhalten kann. In Tanzania gibt es diesen Druck kaum. Man nimmt sich Zeit füreinander und lebt allgemein gelassener.


Trotzdem wollte ich daraus meine Lehre ziehen und packte Folgendes ein: Zeit und Empathie für die Menschen, die mir wichtig sind.

 

"Bist du schon nervös?"

"Bewundernswert, dass du dich das getraust."

"Das ist ein riesiger Schritt."


Diese Aussagen, habe ich in den letzten Wochen unzählige Male gehört. Sie waren für mich immer ein wenig befremdend. Bis zum Tag meiner Abreise war ich nie wirklich nervös oder angespannt.

Traurig, mich von geliebten Menschen zu verabschieden? Ja bestimmt. Aber nie hatte ich das Gefühl, dass sich durch das Auswandern Vieles verändern wird. Es fühlte sich einfach richtig an und ich war bereit für all die Herausforderungen, die dadurch noch auf mich zukommen. Ich habe lange darauf gewartet und diese Entscheidung jahrelang reifen lassen. Nun war der perfekte Zeitpunkt gekommen.


So stand als letztes auf meiner Packliste: Das Wissen darum, dass ich nichts verliere und Dankbarkeit dafür an 2 Orten zu Hause sein zu können.

 

Ah und übrigens:

Beim Räumen meiner Wohnung wurde mir bewusst, wie viel Material sich in wenigen Jahren ansammeln kann. Unglaublich! Da tat es richtig gut alles auszumisten, zu entsorgen und vor allem zu verschenken. Schön, dass so viele Möbel und Gegenstände nun eine zweite Verwendung erhalten haben.

Ich hatte insgesamt 76kg Gepäck zur Verfügung. Zuerst dachte ich, dass dies niemals reichen würde. Als ich aber die wichtigsten Dinge eingepackt hatte, hatte ich immer noch 20kg übrig. Schon witzig zu sehen, auf was man eigentlich alles verzichten könnte.


Und das Beste, was ich übrigens in der Schweiz lassen konnte, sind meine langen Haare.

Bei durchschnittlich 35°C hätte ich diese vermutlich spätestens am zweiten Tag selbst abgeschnitten. :-)


 
 
 

1 Comment


maria.leu
Mar 28, 2020

Liebe Rahel gerne werde ich in Zukunft dein Blog verfolgen. Freue mich!Grüessli Maria

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